Lebensmitteltechnik: Produktion und Lebensmittelrecht

Lebensmitteltechnik: Produktion und Lebensmittelrecht
Lebensmitteltechnik: Produktion und Lebensmittelrecht
 
Der Wohlstand in den entwickelten Ländern hat im Vergleich zu minder begüterten Regionen oder kargeren Zeiten eine deutlich geänderte Sichtweise der Ernährung zur Folge: Man isst nicht mehr notwendigerweise, um zu leben, sondern man kann es sich erlauben, zu leben, um zu essen. Die Ansprüche der heutigen Konsumenten sind hoch: Appetitlich aussehen und lecker schmecken muss es, aber die Zubereitung darf kaum Zeit in Anspruch nehmen. Nach Möglichkeit soll das Ganze außerdem den Geldbeutel nicht strapazieren. Und gesund sollte es natürlich auch sein.
 
Den gestiegenen Ansprüchen gerecht zu werden, ist eine Aufgabe der modernen Lebensmitteltechnologie. Eine andere, aus der Sicht der Hersteller wichtige Aufgabe besteht darin, diese Ziele auf möglichst Kosten sparende Weise zu erreichen und die Ware trotzdem in gleich bleibend hoher Qualität konsumgerecht anbieten zu können. Dass die Lebensmittelchemiker und -ingenieure dabei zuweilen in die Trickkiste greifen und mehr Zusatzstoffe einsetzen müssen, scheint angesichts des harten Wettbewerbs auf dem Lebensmittelmarkt unumgänglich.
 
Welche Ausgangsstoffe und Verfahren zur Produktion eines Lebensmittels vorgeschrieben beziehungsweise zulässig sind, wird weltweit von der Codex-Alimentarius-Kommission, einem gemeinsamen Ausschuss der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) der UNO und der Weltgesundheitsorganisation (WHO), und für Europa von der Lebensmittelkommission der Europäischen Gemeinschaft festgelegt. Das deutsche Lebensmittelrecht wird durch das Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz von 1975 sowie zahlreiche Nebengesetze, Verordnungen und Ausführungsbestimmungen geregelt. Dort ist unter anderem detailliert festgelegt, wie ein Lebensmittel beschaffen sein muss und wie es zu kennzeichnen ist. Besonderes Gewicht wurde dabei auf den Verbraucherschutz gelegt: Der Konsument soll vor Gesundheitsschädigung sowie vor Täuschung und Irreführung geschützt werden. Anspruch und Wirklichkeit klaffen dabei allerdings zuweilen auseinander, da die Legislative und manchmal auch die Analytik den Lebensmittelherstellern in Sachen neu entwickelter Ingredienzen stets hinterherhinken.
 
Die Lebensmittelkennzeichnungsverordnung von 1984 (mit zahlreichen späteren Ergänzungen) schreibt vor, dass die Bestandteile eines verpackten Lebensmittels in Form einer Zutatenliste aufzuführen sind. Die Bestandteile sind dabei in absteigender Reihenfolge nach ihrem mengenmäßigen Anteil aufzuführen. Die Kennzeichnungspflicht bezieht sich nur auf Stoffe, die im Endprodukt eine »technologische Wirkung« besitzen. Für die Stoffe, die bei Zwischenschritten der Produktion eingesetzt werden, besteht keine Kennzeichnungspflicht, selbst wenn sie im Endprodukt in der ursprünglichen oder in abgewandelter Form noch vorhanden sind, aber dort keinen Zweck mehr erfüllen. Dies betrifft besonders Enzyme und Konservierungsmittel, die nur für Vor- und Zwischenprodukte verwendet wurden. Aromastoffe müssen nicht einzeln aufgeführt werden, hier genügt die Angabe »Aromastoffe« (für synthetische Aromen) oder »natürliche Aromastoffe« (für Aromen, die auf natürlichem Weg gebildet und zum Beispiel aus Organismen gewonnen wurden). Keine detaillierte Etikettierungspflicht besteht für lose angebotene Lebensmittel, hier genügen Gruppenbezeichnungen. Keinerlei Zutatenliste wird für verschiedene alkoholische Getränke und Süßigkeiten sowie für Kondensmilch und Trockenmilcherzeugnisse gefordert.
 
Für die Praxis der Lebensmittelproduktion gewinnt das Regelwerk der DIN ISO 9000 ff immer mehr an Bedeutung. Es zielt allgemein auf Qualitätssicherung, Normierung und Überprüfbarkeit bei Herstellung und Vertrieb ab. Eine besondere Rolle spielen die in den Normen und Verordnungen festgelegten Hygieneregeln. Die Lebensmittelhygieneverordnung bestimmt die für eine hygienische Produktion erforderliche Ausstattung und sieht die Feststellung und Überwachung aller für die Lebensmittelsicherheit kritischen Stellen im Herstellungsprozess vor. Dieses HACCP (hazard analysis of critical control points) genannte Verfahren findet europaweit in Lebensmittelproduktion und -vertrieb Anwendung.
 
Dipl.-Ing. Thomas Birus
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Konservierung von Lebensmitteln
 
Grundlegende Informationen finden Sie unter:
 
Agrartechnik: Entwicklungstrends
 
 
Allgemeines Lehrbuch der Lebensmittelchemie, herausgegeben von Claus Franzke. Hamburg 31996. Nachdruck Hamburg 1998.
 Belitz, Hans-Dieter / Grosch, Werner: Lehrbuch der Lebensmittelchemie. Berlin u. a. 41995.
 Birus, Thomas: Was macht die Tiefkühlpizza knusprig? Die wundersamen Zutaten der modernen Küche. Mit einem Ernährungsratgeber von Ina Marie Schulze. Frankfurt am Main 1999.
 
Grundzüge der Lebensmitteltechnik, herausgegeben von Horst-Dieter Tscheuschner. Hamburg21996.
 
Handbuch Lebensmittelhygiene, herausgegeben von Walther Heeschen. Loseblattausgabe. Hamburg 1994 ff.
 
Industrielle Enzyme, herausgegeben von Heinz Ruttloff. Hamburg 21994.
 Kapfelsperger, Eva / Pollmer, Udo: Iß und stirb. Chemie in unserer Nahrung. Köln 51997.
 Kessler, Heinz-Gerhard: Lebensmittel- und Bioverfahrenstechnik. Molkereitechnologie. München 41996.
 Krusen, Felix: Unsere Lebensmittel. Zusammensetzung, Verarbeitung, Nährwert. Hamburg 1989.
 Kunz, Benno: Lexikon der Lebensmitteltechnologie. Berlin u. a. 1993.
 
Lebensmittelführer. Inhalte, Zusätze, Rückstände, bearbeitet von Günter Vollmer u. a. 2 Bände. Stuttgart u. a. 21995.
 
Lebensmittelrecht. Textsammlung, herausgegeben von Günter Klein u. a. Loseblattausgabe. Hamburg 1974 ff.
 
Lebensmitteltechnologie. Biotechnologische, chemische, mechanische und thermische Verfahren der Lebensmittelverarbeitung, herausgegeben von Rudolf Heiss. Berlin u. a. 51996.
 
Lebensmitteltoxikologie, herausgegeben von Rainer Macholz und Hans-Jochen Lewerenz. Berlin u. a. 1989.
 Lindner, Ernst: Toxikologie der Nahrungsmittel. Stuttgart u. a. 41990.
 Marriott, Norman G.: Grundlagen der Lebensmittelhygiene. Aus dem Englischen. Hamburg 1992.
 Muermann, Bettina: Lexikon Ernährung. Hamburg 21993.
 Pollmer, Udo u. a.: Vorsicht Geschmack. Was ist drin in Lebensmitteln. Mit einem Verbraucherlexikon der Zusatzstoffe. Stuttgart u. a. 1998.
 Schormüller, Josef: Lehrbuch der Lebensmittelchemie. Berlin 21974.

Universal-Lexikon. 2012.

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